„Wir sprechen jetzt Social Finance“

Wie funktioniert das, als Sozialunternehmen Wachstumskapital einzusammeln? Und wie kommuniziert man eigentlich mit potenziellen Investoren? Felix Benjamin Schäfer von den Bürgerwerken eG erzählt über frische Impulse, schöne Überraschungen, unerkannte Lücken und das Erlernen der Investoren-Sprache.

Felix, Ihr habt erfolgreich Wachstumskapital für die Bürgerwerke eingesammelt. Habt Ihr denn die Art von Investoren gefunden, die Ihr Euch erhofft hattet?

Ja, definitiv. Da wir als Genossenschaft strukturiert sind, war es uns besonders wichtig, Investoren an Bord zu holen, die sich mit unserer besonderen Gesellschaftsform identifizieren und verstehen, was sie mit sich bringt. Darüber hinaus wollten wir gerne Kapitalgeber, die von ihrer Motivation her das ideelle Ziel im Auge haben und nicht primär auf Renditemaximierung aus sind. Das ist uns perfekt gelungen.

Hattet Ihr Euch im Vorfeld schon Gedanken darüber gemacht, was Ihr von Euren künftigen Investoren erwartet?

Sicher, der Gedanke, zusätzliche Erfahrung und Netzwerke ins Haus zu holen, hat schon eine Rolle gespielt. Aber unsere Erwartungshaltung hat sich erst in der konkreten Zusammenarbeit mit den Investoren entwickelt.  Es ist sicher schön, sich das eine oder andere im Vorfeld zu wünschen, aber die wesentliche Frage ist doch die, ob es auch realistisch ist.

Apropos realistisch: Gab es für Euch handfeste Überraschungen während des Transaktionsprozesses oder kam alles wie erwartet?

Ich sage es einmal so: Wenn man eine Transaktion wie diese nicht schon sehr viele Male gemacht hat, sind Investorengespräche immer für eine Überraschung gut. Ich kann mich zwar an nichts erinnern, das mich aus der Bahn geworfen hätte, aber eine wichtige Erkenntnis war, dass man die eigene Idee auch in eine Sprache übersetzen muss, die für Dritte verständlich ist. Ich denke, das ist ein typisches Sozialunternehmer-Syndrom: Man glaubt felsenfest, die eigene Vision sei allen sofort klar. Dabei tut es gut, einmal einen Schritt zurückgehen und genau zu überlegen, wie man sie am besten nach Außen transportiert.

Hattest Du den Eindruck, dass dieser Abstand zwischen den verschiedenen Sprachen, die Social Entrepreneurs und Investoren sprechen, sehr groß ist?

Der Vorteil ist, dass wir durch die Zusammenarbeit mit FASE sehr gut darauf vorbereitet waren, Investoren-tauglich zu kommunizieren. Dasselbe trifft natürlich auch auf die Investoren selbst zu: Sie wussten durch FASE bereits, was es bedeutet, ein Impact Investment einzugehen. Deshalb schätze ich diesen Prozess und diese Übersetzungsleistung auch so: ohne das wäre die Sprachbarriere sicher viel höher gewesen.

Hast Du ein konkretes Beispiel dafür?

Ich hatte mir beispielsweise nie richtig überlegt, wie ich den Social Impact von Bürgerwerke in ein passendes Framework packen und anschaulich darstellen kann. Aber genau das kam bei den Investoren sehr positiv an und hat für viel Klarheit gesorgt.

„Man muss die eigene Idee auch in eine Sprache übersetzen, die für Dritte verständlich ist.“

In Retrospektive, wie „investment-ready“ wart Ihr eigentlich, als Ihr damals auf FASE zugegangen seid?

Aus meiner Sicht waren wir erstaunlich gut vorbereitet. Wir hatten uns im Vorfeld viele Gedanken gemacht,  mit mehreren Kontakten und Investoren gesprochen, Feedback eingeholt und unsere Präsentation feingeschliffen. Inhaltlich und methodisch waren wir sicher auf einem guten Weg, aber garantiert nicht bei 100 Prozent. Doch wenn es um so etwas Wichtiges wie die Finanzierung geht, sollte man die letzten 10 bis 20 Prozent auch noch angehen. Für uns war es sehr wertvoll, einen Sparringspartner zu haben, der sowohl die Denke der Investoren als auch die der Sozialunternehmer kennt und versteht. Das hilft, die eigenen Annahmen zu überprüfen, schärft die Kommunikation des Geschäftsmodells und schließt Lücken, von denen man vorher vielleicht noch nicht einmal eine Ahnung hatte.

Ihr seid somit jetzt multilingual und sprecht eine Fremdsprache mehr: Social Finance.

So könnte man es nennen. Wir haben viele verschiedene Akteure bei den Bürgerwerken, von den Genossenschaften über die Geldgeber bis hin zu den Endkunden, alle mit ähnlichen Zielen, aber auch unterschiedlichen Erfahrungen und Lebensrealitäten. Darauf sollte man sich als Sozialunternehmer einstellen- auch hinsichtlich der Sprache, die man wählt.

Hattet Ihr zu Beginn bereits ein konkretes Finanzierungsmodell im Auge?

Wir hatten tatsächlich eine klare Vorstellung darüber, was angesichts unserer genossenschaftlichen Struktur möglich ist und was nicht. Eigenkapital einzuwerben wäre zum Beispiel schwierig geworden. Insofern war schnell klar, dass es in Richtung Darlehen gehen muss. Wir haben diese Grundannahme dann mithilfe von FASE präzisiert und in ein konkretes, für die Investoren attraktives Modell gegossen.

Was habt Ihr aus all diesen Gesprächen für Euren zukünftigen Weg mitgenommen?

Einige wichtige Impulse für unsere Positionierung haben wir mit Sicherheit gewonnen. Ein solcher Impuls war beispielsweise, welche Wachstumsstrategie für uns die beste sein könnte und warum. Doch das eigentlich Spannende geschieht erst in der konkreten Zusammenarbeit nach Abschluss der Transaktion. Investoren bringen häufig einen sehr breiten Erfahrungshintergrund mit und es ist eine tolle Chance, diesen gemeinsam für die Mission zu nutzen.

Ihr habt Euch bewusst dafür entschieden, Wachstumskapital über einen sozialen Finanzintermediär wie FASE einzusammeln. Was waren Eure Gründe dafür?

Als Hintergrund sollte man wissen, dass wir als Genossenschaft nicht für die klassischen Förderprogramme infrage kommen. Als Geschäftsführer sind wir keine Gesellschafter und die Genossenschaft kommt als Rechtsform in diesen Programmen auch nicht vor. Bisher gibt es eigentlich nur zwei typische Wege: Entweder die Genossenschaft ist klein, lokal und wächst über Jahrzehnte hinweg organisch. Oder aber sie ist von Anfang an groß und bleibt es auch. Als Social Startup, das in unserem Fall für die Energiewende skalieren will und dafür Wachstumskapital braucht, findet man kein genossenschaftliches Vorbild. Dieser Schritt war schon qua Rechtsform eine Herausforderung für uns. Dann hörten wir über unser Netzwerk von FASE und dachten „das passt“. Sozialunternehmen – gleich welcher Struktur – befinden sich in einer ähnlichen Zwickmühle, weil sie die doppelte Ausrichtung auf gesellschaftliche Mission und wirtschaftliche Nachhaltigkeit verfolgen. Insofern leuchtet es ein, einen Partner wie FASE mit an Bord zu nehmen, mit dem wir solche „Double Bottom Line“-Modelle diskutieren und uns darauf vorbereiten können, sie Investoren zu erklären. Was ebenfalls ein wichtiger Punkt war, ist das bestehende Netzwerk aus Impact Investoren, das FASE kreiert hat. Es ist wirklich nicht so einfach, Leute oder Institutionen zu finden, die ein Sozialunternehmen verstehen und finanzieren wollen. Bei so einem wichtigen Schritt sollte man wirklich nichts dem Zufall überlassen.

„Investoren bringen häufig einen sehr breiten Erfahrungshintergrund mit und es ist eine tolle Chance, diesen gemeinsam für die Mission zu nutzen.“

FASE Transaktionsunterstützung für Sozialunternehmen

Jede Zusammenarbeit hat auch immer ihre Herausforderungen. Was hat Euch besonders gefallen und welche Aspekte hättet Ihr gerne einfacher gehabt?

Die Zusammenarbeit war wirklich sehr produktiv, offen und persönlich, so dass ich das Gefühl hatte, FASE sei für diese Zeit Teil unseres Teams geworden. Die Investoren haben wiederum davon profitiert, dass es einen Moderator gab, der nicht Teil des Gründer-Teams ist und solche Transaktionen schon mehrfach begleitet hat. Ohne Übertreibung, das war eine der besten Beratungs- und Dienstleistungserfahrungen, die ich bis jetzt hatte. Es gibt nur einen Punkt, den ich vielleicht verbessern würde: Wir haben sehr viel Zeit in die Ausarbeitung und Aktualisierung eines sehr detaillierten Geschäftsplans gesteckt.  Keine Frage, daraus sind sicher sehr viel spannende Erkenntnisse für uns und die Investoren entstanden. Aber wir haben uns am Ende doch gefragt, ob es diese Ausführlichkeit auch wirklich braucht. Man hört ja häufiger aus der Investoren-Szene, vor allem in den USA, dass der klassische Business Plan tot sei. So krass ist es sicher nicht. Aber irgendwo zwischen einer ausführlichen Präsentation und einem kürzeren Geschäftsplan liegt eventuell der richtige Kompromiss. Ich finde, die Kernaussagen und ihre Ausarbeitung passen am besten ins Dokument und die Details in die persönliche Interaktion mit dem Investor.

Du meinst also, dass das persönliche Aufeinandertreffen bei einer Managementpräsentation entscheidender für den Investor ist als das tiefe Studium der Dokumente?

Die meisten Investoren haben nicht die Zeit, sich über Tage hinweg mit Unterlagen zu beschäftigen, also konzentrieren sie sich auf das Wesentliche. Wozu die Details gut sind, ist den Gründer darauf vorzubereiten, tiefere Fragen zu beantworten. Diese Arbeit muss man sich als Sozialunternehmer schon machen. Ob auch alles explizit ausformuliert werden muss, ist eine andere Frage.

Zum Schluss noch etwas Honig saugen: Was sind Deine drei wichtigsten Tipps für solche Sozialunternehmer, die das erste Mal vor dem Abenteuer Wachstumskapitalsuche stehen?

Der allererste Tipp ist, sich gezielt Erfahrung zur Wachstumsfinanzierung ins Haus zu holen, von einem Business Angel oder auch einem Finanzintermediär. Das verbessert die Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg enorm. Ohne vorherige Erfahrung so einen Prozess alleine zu durchlaufen, ist ziemlich schwierig, wenn auch nicht unmöglich.

Kostet so ein Alleingang zu viel Zeit, bindet zu viele Ressourcen oder führt nicht zu dem gewünschten Ergebnis?

Von allem etwas. Die Darstellung des eigenen Unternehmens nach außen wird ohne externen Rat sicher nicht so überzeugend. Dasselbe trifft auf die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Transaktion zu: sie wird meiner Meinung nach geringer. Und auch bei den Verhandlungen mit Investoren fehlt die Einschätzung, was am Markt üblich ist. Sind meine Vorstellungen als Sozialunternehmer realistisch? Was sind die Benchmarks im Kapitalgeber-Markt? Wenn ich nur auf das angewiesen bin, was der Investor mir sagt, habe ich keine besonders gute Verhandlungsposition.

Und Deine zwei weiteren Tipps?

Unbedingt Zeit einplanen – sowohl hinsichtlich der nötigen Kapazitäten als auch bei der Dauer bis zum Closing. Bei uns waren es 300 Stunden über einen Zeitraum von 8 Monaten. Das ist in erster Linie Zeit, die die Gründer und Geschäftsführer investieren müssen. Diese Ressource fehlt dann an anderen Stellen und dafür muss man beizeiten Vorsorge treffen. Man sollte sich keine Illusionen machen, dass man einen solchen Prozess in zwei bis drei Monaten hinbekommt. Und der dritte Tipp: sich im Vorfeld Gedanken über die ideale Rolle der Investoren machen. Das hilft dabei, das eigene Bewusstsein zu schärfen, ob man eine eher enge oder lockerere Zusammenarbeit sucht, welchen Umfang an Rechten man ihnen einräumen will und ob die eigenen Vorstellungen mit denen der Gegenüber auch kompatibel sind. Das ist gerade bei Sozialunternehmen ein wichtiges Thema: Es geht schließlich darum, die gesellschaftliche Mission dauerhaft zu bewahren. Diesen Aspekt einfach außer Acht zu lassen und es mit einem Investor zu versuchen, obwohl man spürt, dass die Ziele divergieren, kann für die Organisation ein gewaltiges Risiko darstellen. Lieber mutig alternative Pfade suchen. Eventuell ist auch der Zeitpunkt für die Skalierung noch nicht der richtige. Und bitte nicht vergessen: Immer so viele Türen so lange wie möglich offen halten.

Meine 3 wichtigsten Tipps für Sozialunternehmer:
1. sich gezielt Erfahrung zur Wachstumsfinanzierung ins Haus holen,
2. unbedingt Zeit einplanen – sowohl hinsichtlich der nötigen Kapazitäten als auch bei der Dauer bis zum Closing, und
3. sich im Vorfeld Gedanken über die ideale Rolle der Investoren machen.“

Hier gibt es noch mehr zu den Bürgerwerken eG:

Website:  www.buergerwerke.de

Profil: FASE – Finalisiertes Projekt

Artikel:

Auszeichnung „Werkstatt N“ für die Bürgerwerke durch den deutschen Nachhaltigkeitsrat

Echte Energiedemokratie in Bildern – Das Fotoalbum der Bürgerwerke-Generalversammlung 2016 

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