„Wir wollen Chancengeber für Integration sein“

Die Integration von Geflüchteten ist aus den großen Schlagzeilen verschwunden, doch nach wie vor brandaktuell. Wie kann man die Hürden zwischen Arbeitgebern und Flüchtlingen wirksam überwinden? Zarah Bruhn, Mitgründerin von Social Bee, über geteilte Visionen, Denkblockaden, Impact Investoren und ein innovatives soziales Zeitarbeitsmodell.

Zarah, ihr habt euch in 2017 zum zweiten Mal Wachstumskapital besorgt. Wie hast du diese abenteuerliche Reise erlebt?

Sie hat sicher viel Kapazität gezogen und Hochs und Tiefs mit sich gebracht. Positiv überrascht hat mich, dass die Investoren dieses Mal sehr auf unsere Wirkung geachtet haben. Bevor wir in 2016 gemeinnützig geworden sind, hatten wir eher mit kommerziellen Kapitalgebern zu tun, die den Kern unseres Modells nicht verstanden und den sozialen Aspekt als Marketing-Gag gesehen haben. Insofern war es ein sehr schönes Erlebnis, Impact Investoren zu finden, die unsere Vision teilen und für die wir uns nicht verbiegen müssen.

Wart ihr auch mit Bedenken konfrontiert?

Was uns sehr verwundert hat ist, dass viele Kapitalgeber noch nicht bereit fürs Impact Investing sind. Sie interessieren sich zwar dafür, agieren aber eher nach dem Motto: entweder spenden und das Geld ist weg oder aber investieren und dann richtig verdienen. Das Tolle am Impact Investing ist doch, dass man mit einem Euro mehr als einmal gesellschaftliche Wirkung generieren kann. Das hat uns an der Zusammenarbeit mit FASE so gut gefallen: die Investoren im Netzwerk haben dieses Prinzip bereits verstanden. Außerdem inspirieren wir und die anderen FASE-Mandanten die Menschen dazu, diese gedankliche und manchmal auch administrative Hürde zu nehmen. Wir haben Förderpartner, die uns gesagt haben, dass sie in der nächsten Finanzierungsrunde gerne ein Impact Investment statt einer Spende machen möchten.

Hat sich der hybride Finanzierungsmix aus Darlehen und Spenden für euch bewährt?

Absolut. Wir finden dieses Modell sehr spannend, zumal es uns auch etwas den Druck nimmt. Die Spenden reduzieren das Risiko der Darlehensgeber und die Spender freuen sich darüber, dass die Impact Investoren an die Kapitalrückzahlung glauben. Diese Win-Win-Win-Situation gibt allen mehr Sicherheit.

„Das Tolle am Impact Investing ist doch, dass man mit einem Euro mehr als einmal gesellschaftliche Wirkung generieren kann. Das hat uns an der Zusammenarbeit mit FASE so gut gefallen: die Investoren im Netzwerk haben dieses Prinzip bereits verstanden.“

Euer Impact-Thema Jobintegration von Geflüchteten ist nach wie vor brandaktuell, wird aber auch kontrovers in der Gesellschaft diskutiert. Wie waren die Reaktionen auf eure PR-Kampagne, bei der euch Ströer und Jung von Matt pro bono unterstützt haben?

Überwiegend sehr positiv. Uns war zwar von Anfang an klar, dass unsere Kampagne nicht jedem gefallen würde, aber wir wollten den gesellschaftlichen Diskurs anregen und auch die Wahrnehmung von Geflüchteten verändern. Viele Geflüchtete treten nämlich stark auf, haben viel durchgemacht und wollen sich beweisen und einbringen. Durch die Kampagne haben wir sehr viel Rückhalt bekommen und neue Kooperationspartner gefunden. Ein wenig Anfeindung von rechts und links gibt es immer. Aber alles blieb doch im gesunden Rahmen und hat auch für die dringend nötige Diskussion gesorgt.

Was würdest du sagen ist die Besonderheit, die eure Lösung so wirkungsvoll macht?

Das Geheimrezept ist, dass Social Bee Arbeitgeber ist. Wir übernehmen direkt Verantwortung für die Jobs statt nur zu beraten und zu begleiten. So werden Unternehmen bürokratisch entlastet und die Chancen von einheimischen und geflüchteten Arbeitnehmern gleichen sich an. Außerdem verbessert sich unser Zugang zu beiden Seiten. Eine zweite Besonderheit ist, dass wir bei den Unternehmen sehr nah an der betrieblichen Wertschöpfungskette andocken. Viele Changemaker meinen, sie müssten gleich das gesamte System revolutionieren. Wir nutzen es eher und verändern kleine Elemente darin. Social Bee greift sich das klassische Zeitarbeitsmodell und fügt die neuen Mechanismen Integration, Betreuung und Qualifizierung ein. Dadurch kommen wir einfach und schnell bei den Unternehmen an und können auf sehr niederschwellige Weise Geflüchtete in Arbeit bringen.

Liegt in diesem ressourcenintensiven Ansatz gleichzeitig auch die Grenze eurer Lösung?

Ganz sicher. Wir können nicht in jeder Stadt sofort aktiv sein. Dazu haben wir rechtliche Auflagen zu erfüllen und müssen Schritt für Schritt expandieren. Viele Anfragen, unser Modell an anderen Orten umzusetzen, müssen wir deshalb erst einmal ablehnen, weil es sich nicht so schnell skalieren lässt. Langfristig kommen aber Franchise-Modelle oder Kooperationen mit anderen Zeitarbeitsfirmen infrage.

Du bist gerade Ashoka Fellow geworden und das Thema Systemveränderung spielt dort eine zentrale Rolle. Ist es euer Ziel, Unternehmen zu inspirieren, irgendwann eure Dienstleistung selbst abzubilden?

Genau. Wir wollen Unternehmen den Anstoß geben, selbst Geflüchtete einzustellen. Mit unseren Aktivitäten erbringen wir sozusagen den Beweis, dass der Aufwand geringer ist als gedacht und Unternehmen tolle Mitarbeiter gewinnen. Wir möchten die Denkweisen verändern, sind aber auch nicht die einzige Lösung für dieses soziale Problem. Oberstes Ziel unserer PR-Kampagne war es deshalb, ein Bewusstsein für die großen Potenziale von Geflüchteten zu schaffen. Social Bee hat Vorbildcharakter im Kleinen und schafft mehr Berührungspunkte mit der Gesellschaft. Dadurch steigt automatisch die Akzeptanz von Flüchtlingen – ein Schneeballeffekt.

„Viele Changemaker meinen, sie müssten gleich das gesamte System revolutionieren. Wir nutzen es eher und verändern kleine Elemente darin. Social Bee hat Vorbildcharakter im Kleinen und schafft mehr Berührungspunkte mit der Gesellschaft. Dadurch steigt automatisch die Akzeptanz von Flüchtlingen – ein Schneeballeffekt.“

Und wie siehst du die Kontroversen rund um das Thema Zeitarbeit?

Wir wollen auch da gerne ein Umdenken bewirken. Dadurch dass wir ein umfangreiches Integrations- und Qualifizierungskonzept für unsere Mitarbeiter anbieten, setzen wir neue Standards in der Zeitarbeit. In diesem Punkt ist Social Bee am weitesten fortgeschritten in der Branche. Wir haben jetzt bereits Unternehmenskunden, die die Zeitarbeit in ganz neuem Licht sehen und bisher nur sehr ungern mit ihr gearbeitet haben, weil ihr Ruf so schlecht ist. Dadurch strahlt unser Modell auch jenseits der Geflüchteten aus und kreiert Wirkung für alle Arbeitnehmer.

Wie sehen eure nächsten unternehmerischen Schritte aus und welche Unterstützung würdet ihr euch dafür wünschen?

Wir werden ab April 2018 unser Modell in Stuttgart umsetzen. Das ist ein sehr spannender Skalierungsschritt für mich, weil es der erste große Raum außerhalb von München ist, den wir angehen. Mein großes Ziel ist, dass wir bundesweit flächendeckend aktiv sein können. Darüber hinaus setzen wir uns auch mit anderen Zeitarbeitsfirmen zusammen und überlegen, wie das richtige, schlanke Skalierungsmodell für die Zukunft aussehen kann. Dazu brauchen wir auch mutige Unternehmen, die unser Modell nutzen möchten, um Mitarbeiter einzustellen. Staatliche Unterstützung wäre auch sehr schön für weitere Betreuungs- und Qualifizierungsprojekte. Bisher finanzieren wir uns noch ausschließlich über unsere Unternehmenskunden.

Eigentlich würde der Staat durch Unterstützung eurer Lösung doch viel gewinnen?

Ja, deshalb finde ich langfristig auch einen Social Impact Bond als Finanzierungsmodell sehr spannend. Impact Investoren gehen voran und erbringen den Beweis, dass unsere Lösung eine starke Wirkung und Effizienz hat, woraufhin der Staat sie weiter ausbauen könnte. Das wäre für uns eine ideale Wachstumsmöglichkeit, die auch die soziale Wirkung vervielfältigt.

Welche Tipps hättest du für Social Entrepreneurs, die gerne Impact Investoren gewinnen möchten. Was sollte man tun und was unbedingt vermeiden?

Was mir und meinem Mitgründer Max sehr geholfen hat ist, dass wir beide viel wirtschaftliche Expertise mitbringen. Wir hatten alle Unterlagen sehr gut vorbereitet und waren uns auch in Bezug auf unsere Zahlen sehr sicher. Unsere Investoren haben uns rückgemeldet, dass wir sehr professionell aufgetreten sind. Das sind vertrauensbildende Maßnahmen, die bei solchen Kapitalgebern sehr gut ankommen. Als Social Entrepreneur sollte man deshalb diesen Teil etwas ernster nehmen und sich eventuell schulen lassen oder externe Hilfe in Anspruch nehmen. Im Impact Investing muss beides passen, Wirkung und Wirtschaftlichkeit. Sich mit Wirkungsmessung zu beschäftigen und die Wirkungstreppe konsistent aufzubauen, spielt deshalb auch eine große Rolle. Auch Hockeystick-Planungen sollte man sein lassen. Realistisch mit seinen Planungen zu sein ist definitiv ein Erfolgsfaktor.

Wie sieht dein Traum für Social Bee in 10 Jahren aus?

Dass wir nicht nur Geflüchtete, sondern auch andere Menschen mit sozialen Benachteiligungen in Arbeit bringen. Wir wollen Integrations-Chancengeber und Sprungbrett sein.

„Wir brauchen mutige Unternehmen, die unser Modell nutzen möchten, um Mitarbeiter einzustellen.“

Hier gibt es noch mehr Honig zu Social Bee:

Website:  www.social-bee.eu    / Kampagne: http://employ-refugees.de/

Profil: FASE – Finalisiertes Projekt    / Artikel: Eine Job-Maschine für Flüchtlinge

Sozialunternehmer und neuierig, wie man sich fit für Impact Investoren macht?

Unter Webinare – Events findet ihr unsere Social Finance Tutorials von Proof of Concept bis Investment Readiness – in Zusammenarbeit mit dem Empowering People Network der Siemens Stiftung.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am Blog. Setze ein Lesezeichen auf den permalink.