Von der Spendenorganisation zum Sozialunternehmen – ein Quantensprung?

Von der Spendenorganisation zum Sozialunternehmen – ein Quantensprung?

Wer mit seiner gesellschaftliche Wirkung in die Skalierung gehen will, kann mit Spenden alleine schnell an Grenzen stoßen. Hier 5 Tipps wie Sozialunternehmen der Sprung über den Finanzierungsabgrund gelingt.

„Wir haben zwei Regelwerke – eines für gemeinnützige Organisationen und eines für den Rest der Wirtschaftswelt“

So beschreibt Dan Palotta das Dilemma vieler sozialer Projekte. In seinem mehr als 3,7 Millionen Mal angeklickten TedTalk kritisiert der bekannte Aktivist die oft widersprüchliche Haltung gegenüber Initiativen, die sich mit Haut, Herz und Haaren einer gesellschaftlichen Problemlösung verschrieben haben. „Apartheit“, nennt er es krass. Einerseits klagten wir den Kapitalismus für seinen Beitrag zur Entstehung massiver gesellschaftlicher Ungerechtigkeiten an. Andererseits erlaubten wir es dem Non-Profit-Sektor nicht, dieselben Werkzeuge zu benutzen, um den angerichteten Schaden wieder gutzumachen.

Klare Worte. Aber er liegt sicher nicht falsch: Von Verwaltungskosten über Mitarbeiterbezahlung bis hin zum Fundraising – die Gesellschaft misst gerne mit zweierlei Maß: hier Wirtschaft, dort Wohlfahrt. Kein Wunder, dass sich viele spendenfinanzierte Organisationen fragen, wie sie angesichts dieser weitverbreiteten Haltung ihre soziale und ökologische Wirkung je im großen Maßstab ausrollen sollen. Think Big? Skalierung? Die volle umgesetzte Vision? Sicher, gerne, aber womit?

Sinn mit Geld – Geld mit Sinn?

Auch Naomi Ryland, die Gründerin von The Changer.org, stellt in ihrem Blog „Geld vs. Sinn?! Bleibt es immer bei der Qual der Wahl? fest, dass „Changing the world“ eben Geld kostet. Bei einer Diskussion mit engagierten TeilnehmerInnen des Betterplace Labtogether 2015 kam heraus, dass die finanziellen Tabus des sozialen Sektors dringend ausgeräumt werden müssen, damit es nach vorne geht. Auch der Wert der Wirkung von sozialen Organisationen muss quantitativ messbar und viel transparenter gemacht werden, damit sich das althergebrachte Zwei-Schubladen-Denken verabschiedet.

Diese Themen kennen wir bei FASE nur zu gut. Seit mehr als zwei Jahren sind wir Sparringspartner für soziale Unternehmer und solche, die es werden wollen. Wir sprechen mit ihnen darüber, wie sie ihre Geschäftsmodelle für die Skalierung fit bekommen. Wir diskutieren, wie sie überhaupt eines aufstellen können, das sich mittelfristig selbst trägt. Wir helfen ihnen dabei, wie sie Geldgeber finden, die zu ihnen passen und die ihre Mission professional und geduldig mittragen. Wir besprechen mit ihnen mögliche Finanzierungsformen, die auch verschiedene Arten von Kapitalgebern harmonisch miteinander verbinden. Und wir empfehlen, wie sie ihre Wirkung messbar machen und gegenüber Stakeholdern deutlich darstellen können. Aber das dickste Fragezeichen auf der unternehmerischen Stirn, oft noch lange vor unserer eigentlichen Beratung, ist dieses:

„Was genau unterscheidet denn eigentlich eine Spendenorganisation von einem Sozialunternehmen? Sind das nicht zwei grundlegend verschiedene Welten?“

Das Dickicht der Definitionen

Die Verwirrung ist absolut legitim. Auf der einen Seite gibt es die Spendenriesen wie UNICEF oder SOS Kinderdörfer mit ihren gut geölten Sammelapparaten. Auf der anderen Seite die waschechten Social Entrepreneurs wie Frank Hoffmann von Discovering Hands oder Gregor Demblin von DisAbility Performance, die sich rückzahlbares Kapital zum Wachstum hereinholen. Beide Arten von Organisationen verfolgen ihre soziale Mission. Beide haben ihre guten Gründe, genau diesen Weg zu wählen. Warum also mit schicken Labels oder starren Definitionen arbeiten?

Viele Initiativen fangen klein an und bemühen sich erst einmal um Spenden. Die einen pumpen die berühmt-berüchtigten 3F „Family, Friends and Fools“ an oder plündern das Sparbuch. Die anderen aktivieren die Crowd über innovative Plattformen und/oder pitchen bei Stiftungen. Und wieder andere zapfen Ausschreibungen und Förderprogramme an, um an Zuschüsse zu kommen. Beliebte Devise: am besten gleich alles zusammen. Aber was kommt danach? Soll die Spendenmaschinerie auch in Zukunft auf Hochtouren laufen? Und was bedeutet das für die Organisation und ihre Mitmacher? Oder lässt sich das Paket auch noch anders schnüren, auf eine Art, die vielleicht wirkungsvoller von A nach B und noch sehr viel weiter trägt? Wie gelingt der Sprung über den Abgrund – wie die „strategische Finanzierungslücke“ schließen?

Die Finanzierungslücke bei Sozialunternehmen

Für uns bei FASE ist es nicht so relevant, ob sich eine Organisation nun das Etikett „Spendenorganisation“ oder „Social Business“, „Sozialunternehmen“ oder „gemeinnützige Gesellschaft“, „Non-Profit Organisation“ oder „Social Enterprise“ an den wohlgeformten Leib heftet. Die Grenzen im definitorischen Dickicht sind fließend und die Form eines sozialen Projekts verändert sich meist im Zeitablauf. Was heute die richtige Art der Finanzierung und die passende rechtliche Struktur sein mag, muss es nicht unbedingt morgen und übermorgen auch noch sein. Wichtig ist, wo die Macher hin wollen. Soll es der breit ausgetretene Pfad oder vielleicht der schmale Pioniersteig sein? Oder aber ein hybrider Mittelweg? Bei den Hunderten von Initiativen, die wir mit passionierten „Changemakern“, „Weltverbesserern“, „Wirkungsunternehmern“ und „Next Generation Entrepreneurs“ diskutiert haben, schälen sich aber meist schnell ein paar Merkmale heraus, die für uns den Quantensprung im Wachstums-Denken markieren.

Unsere Top 5 Tipps

Ihr wollt skalieren? Ihr wollt Euch nicht mehr allein auf den nächsten Spendenmarathon verlassen? Ihr kennt die Risiken und Nebenwirkungen der roten Pille, vor denen Euch kein Arzt oder Apotheker schützt? Ihr habt gehört, dass es sogenannte „Impact Investoren“ gibt? Gratulation. Hier unsere wichtigsten Tipps, wie Euch der nächste Schritt über den Finanzierungsabgrund gelingt. Gesucht: Gute, ehrliche Antworten auf einige sehr essentielle Fragen an Euch selbst.

1. Eine klare Vision für eine skalierbare, messbare Wirkung

Wie kann ich die bisher erzielte Wirkung meines Projekts mit noch mehr  Tiefe und/oder Breite versorgen, wie sie auf noch mehr Begünstigte, Regionen und/oder Länder ausweiten? Wie kann ich sie möglichst zuverlässig messen? Habe ich eine klare „Theory of Change“? Habe ich meine Wirkungskette schon einmal schlüssig dargestellt?

2. Eine überzeugende Idee für ein wachstumsfähiges, selbsttragendes Geschäftsmodell

Wo können meine Umsätze herkommen, welche sind schon da und mit welchen Zielgruppen und Leistungen kann ich sie noch weiter ausbauen? Wie entwickeln sich meine Kosten, wenn ich skaliere? Wie kann ich einen Breakeven erreichen?

3. Eine Bereitschaft, sich auch auf andere Finanzierungsquellen und –modelle als nur Spenden einzulassen

Was bedeuten die verschiedenen Finanzierungsarten für mich und mein Projekt, wie weit können sie mich eigentlich bringen und was sind ihre Vor- und Nachteile? Beeinträchtigen sie meine Mission oder bringen sie mich dahingehend weiter? Und was wird von mir im Gegenzug erwartet, wenn ich mich auf diese Geldquellen/ –geber einlasse?

4. Ein engagiertes, interdisziplinäres Team

Habe ich die richtigen Menschen mit an Bord, um das Wachstum zu schaffen? Was brauche ich noch an Kompetenzen und wie kann ich meine Leute langfristig für die Vision begeistern?

5. Ein Bewusstsein über den bisher erzielten Erfolg

Hat mein Pilotprojekt wirklich funktioniert? Konnte ich die Menschen und Zielgruppen erreichen und haben meine Leistungen ihnen nachweislich geholfen? Wo hakt es möglicher Weise noch, was kann ich noch verbessern und wie?

Am Ende könnte man es auch so umschreiben: Es sind unternehmerische Qualitäten, die ganz für die Vision eingesetzt werden, eine messbare, positive Wirkung für die Gesellschaft zu erzielen. Der Kern eines echten Sozialunternehmers eben. Ganz gleich wie er oder sie sich nun nennen mag. Auf den Inhalt kommt es an, nicht auf das Etikett.

Links zum Weiterschmökern

Zu Theory of Change und Wirkungsketten ein schönes Einstiegs-Video (engl.):

Konkrete Beispiele zu Wirkungsketten: Ashoka „Wissen was wirkt – Wirkungsanalysen 2012 der Ashoka Fellows“ http://germany.ashoka.org/sites/germany.ashoka.org/files/Ashoka_Wirkungsanalysen_2012_web.pdf

Zu den verschiedenen Typen von sozialen Geldgebern und Finanzierungsarten (engl.): TU München/Schwab Foundation „Social Investment Manual – An Introduction for Social Entrepreneurs“ http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1884338

Zur Skalierung und ihrer richtigen Vorbereitung (engl.): Tayabali „Patri Framework for Scaling Social Impact http://www.ashokaglobalizer.org/PATRI

Und jede Menge weitere Literatur unter www.fa-se.de/presse-links/

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