„Es gibt immer noch diese riesige Finanzlücke“

Transaktionsunterstützung für Sozialuntnernehmer ist noch immer ein großes Thema. Deshalb hat das Kompetenzzentrum für Soziale Innovationen (KoSI), dessen Partner FASE ist, zum Jahresanfang 2022 einen Call for Transaction Support an alle Sozialunternehmen in Deutschland lanciert. Saving Grains war einer der Gewinner.

Hier spricht Dr. Wolfgang Mittmann, Gründer und Geschäftsführer von Saving Grains, über seine Erfahrungen als junges Impact Startup auf Finanzierungssuche im Interview mit Lina Sommer vom KoSI. (Auszug des Interviews vom Oktober 2022 – das komplette Interview ist hier zu finden)

Fotos: Copyright Saving Grains

L.S.: Ich freue mich, dass wir heute Zeit haben, dich und Saving Grains näher kennenzulernen. Neben der App seid ihr mit euren hermetischen Säcken sehr „hands on“ tätig. Kannst du zuerst einmal erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass ihr euch genau dieser Herausforderung gewidmet habt?

W.M.: Ich habe zuvor fürs World Food Programme gearbeitet und mich viel mit hermetischen Säcken auseinandergesetzt, einfach weil sie so unglaublich lukrativ und profitabel für Kleinbauern sind. Das Problem ist aber, dass sie keiner kauft. Wir glauben, es gibt zwei Gründe dafür. Der eine Grund ist, dass Kleinbauern immer dann ihr Getreide verkaufen, wenn die Preise tief sind. Keine Chance, wenn ich sie da frage, in bessere Säcke zu investieren. Also zu dem Zeitpunkt, wo defacto eine Art Notverkauf stattfindet, um ihre Kosten decken zu können – den Kredit bei der Bank für das Saatgut, Schulgebühren für die Kinder etc. Das ist die schlechteste Zeit im Jahr, um jemanden zu fragen zu investieren.

Der zweite Punkt ist, dass die Säcke nur nützlich sind, um das Getreide zu Hause zu lagern. Obwohl es ein Sack ist und die ganze Definition von einem Sack ist, dass du etwas von A nach B trägst, kannst du den Sack nicht verkaufen, weil sie nicht durchsichtig sind und man nicht sehen kann, was darin ist. Du kannst ihn auch nicht aufmachen, denn dann sind sie nicht mehr hermetisch. Daraus haben wir mit Saving Grains einen Service gebaut. In unseren ersten Tests haben wir viel gelernt, wie der Service aussehen muss. Mithilfe von neuen Technologien adressieren wir das Problem, dass man die Säcke nicht verkaufen kann. Wir haben jetzt durchsichtige Säcke produziert und einen Qualitätssensor darin verbaut. Unser Ziel war und ist von Anfang eine Lösung zu schaffen, die leicht skalierbar ist. Ein System, das man wirklich skalieren kann.

Gab es die Säcke schon oder habt ihr sie eigens entwickelt?

Es gibt die Säcke schon seit mindestens 15 Jahren und es gibt viele verschiedene Hersteller. Viele Studien zeigen auf, wie gut sie funktionieren, aber bisher gab es keine klare Antwort darauf, warum sie dann kein Bauer kauft. Bei einem Projekt mit dem World Food Programme haben wir genauer betrachtet, warum die Säcke als Produkt nicht erfolgreich sind. Eines der Schlüsselprobleme ist, dass es in den meisten Fällen mehr Geld bringt, Gelder der Entwicklungshilfe für andere Maßnahmen in Anspruch zu nehmen wie beispielsweise Dorf-Demonstrationen als für den Vertrieb von den Säcken.

Das ist schade, aber genau darum zeigt ihr, dass es auch anders geht. Wie funktioniert das?

Die Bauern machen kaum Geld. Sie verkaufen ihr Getreide an Aggregatoren. Diese Aggregatoren leben im selben Dorf wie die Kleinbauern und kaufen im Auftrag für externe Getreidehändler. Dafür erhalten sie nur eine geringe Gebühr für diese Dienstleistung. Über die Getreidehändler landet das Getreide bei der Industrie, der die Qualität und Nachverfolgbarkeit fehlt. Die Wertschöpfungskette funktioniert eigentlich für Niemanden.

Unser Einstiegspunkt sind die Aggregatoren. Wir bieten eine sichere, hermetische Lagerung, Kredite, Schulungen und einen Abnehmerkanal – so können die Aggregatoren von den großen Preissteigerungen nach der Ernte profitieren. Mit uns machen die Aggregatoren in einer durchschnittlichen Saison 120 % Gewinn. Die Kleinbauern profitieren durch einen Profit-Share und ihre Profite sollten sich um ca. 50% erhöhen. Und dadurch, dass wir den ganzen Prozess digitalisiert offenlegen, ermöglichen wir für die Industrie bessere Nachverfolgbarkeit, bessere Qualität und vor allem besseren Zugang zum Getreide. Wenn man massive Skalen erreichen will, bringt es nichts, einen Punkt in der Wertschöpfungskette zu lösen, sondern wir wollen wirklich einen Ansatz vorantreiben, bei der die gesamte Wertschöpfungskette profitiert.

„Unsere Philosophie liegt in der Überzeugung, dass die gesamte Wertschöpfungskette profitieren muss.“

Wie ist die Zusammenarbeit vor Ort in Ghana? Wie kommt eure Lösung an? Sind die Menschen aufgeschlossen und offen?

Wir sind in Ghana und neuerdings auch in Kenia. Der Anfang ist immer sehr schwer, weil man einfach neu ist. Es ist ein Vertrauensgeschäft, ein “People’s Business”. Wir haben zwar eine App und eine skalierbare, funktionierende Lösung, aber es braucht immer noch Agent:innen oder angestellte Mitarbeitende im Feld. Am Anfang haben wir mit viel Arbeit dreizehn Leute zusammen bekommen und davon haben am Ende sieben gekauft, d.h. das ganze Projekt durchgezogen. In der zweiten Saison hatten wir 140 Menschen. Hier hatten wir noch ein paar Probleme, weil wir manche Dinge nicht so gut kommuniziert haben und so sind viele abgesprungen. Daraus haben wir gelernt. Jetzt haben wir unsere erste große Saison abgeschlossen, machen gar keine Werbung mehr und werden von Anfragen überschüttet. Total geil! Wir hatten 67 Kund:innen und aktuell haben wir allein über Empfehlungen 131 Inbound-Kund:innen. Unsere Radiowerbung haben wir abgesetzt, weil wir gar nicht wissen, wie wir mit noch mehr Anfragen umgehen können.

In der Saison haben wir ein paar Fehler gemacht. Z.B. haben wir Kund:innen etwas abgekauft und mussten aus Liquiditätsgründen stückchenweise zahlen. Das war nicht so schön für sie, aber bisher sind alle Kund:innen wiedergekommen. Denn alle verstehen, dass wir ein Startup sind und dass wir mit ihnen zusammen eine Lösung finden wollen. Ich hätte nicht geglaubt, dass diese Vertrauensbasis eine so wichtige Rolle spielt.

„Unsere Kund:innen berichteten, dass sie stolz darauf sind, dass sie ihre Bauern unterstützen können. Es ist eine Quelle von Stolz, wenn sie mit ihrer Arbeit einen sozialen Mehrwert für ihre Gemeinschaft liefern.“

Im Frühjahr 2022 habt ihr euch für die Transaktionsunterstützung beworben, die durch das Kompetenzzentrum für Soziale Innovationen ermöglicht und von FASE durchgeführt wird. An welchem Punkt standet ihr da und was waren eure Erwartungen?

Wir haben im Vorfeld schon Fundraising betrieben und bei uns wurde es schon mal ganz schön knapp. Dann haben wir eine Corporate Donation von Bayer bekommen, die uns erlaubt hat weiterzuarbeiten. Es ist unmöglich, Geld einzusammeln, wenn man wie wir in so einer frühen Phase ist und Geschäfte in Afrika macht. Dieses typische Seed-Investment oder Pre-Seed-Investment hat für uns nicht geklappt. Mit der Unterstützung von FASE haben wir unsere Materialien aufbereitet. Im Endeffekt haben wir uns von FASE ein großes Netzwerk versprochen und Professionalität. Denn es verleiht uns als kleines, ja als Mini-Startup eine größere Glaubwürdigkeit. Das hat sich auch bewahrheitet. Wir hatten schon vorher mit FASE Kontakt aufgenommen, aber damals haben sie uns abgelehnt, weil wir eben zu klein waren. Insofern kann man klar den Vorher-Nachher-Beweis antreten. Diese Förderung hat uns viele Möglichkeiten gegeben.

Die Unterstützung war bis Ende des Jahres angesetzt. Schafft ihr es bis dann abzuschließen?

Noch ist nichts in trockenen Tüchern, leider. Da kann ich auch FASE nicht für verantwortlich machen. Das ganze Investorenumfeld hat sich deutlich eingetrübt. Es gibt immer noch diese riesige Finanzlücke. Es bewegt sich viel im Sektor und tolle Spieler sind aktiv, die die derzeitige Situation gut kommunizieren. Das fehlende Investmentkapital macht es echt schwer. Die Situation ist ein bisschen kontraintuitiv. Wir können viel Impact erzeugen und wir können unseren Impact vor allem auch sehr gut messen, weil alles über die Plattform dokumentiert wird. Das war sehr attraktiv für verschiedene Donors, mit denen wir zusammengearbeitet haben. Kontraintuitiv ist, dass es für uns einfacher war mit diesen Donors zusammenzuarbeiten, wo wir Geld quasi umsonst bekamen, um die Lösung zu beweisen und das Business aufzubauen, als Geld von einem Investor zu bekommen, dem wir einen Teil der Firma dafür geben. Es ist ernüchternd zu sehen, wie das Finanz- und Investorenumfeld da aussieht.

Was hast du in diesem Prozess gelernt und welche Tipps möchtest du anderen Sozialunternehmen mitgeben, die sich auf die Suche nach Investor:innen machen?

Ich hätte nicht gedacht, dass so viel über Kontakte und warm Intros läuft. Insofern ist mein Tipp, mit anderen Startups zu reden und sich informell auszutauschen und Listen zukommen zu lassen, welche Investor:innen man angesprochen hat. Der Prozess ist Googlen und Recherchieren und nach Verbindungen suchen. Aber das ist eine sehr ineffiziente Art der Investoren-Suche. Deswegen war FASE mit ihrem Netzwerk eine sehr hilfreiche Multiplikatorin und Partnerin.

Hat dich irgendetwas überrascht, womit du so nicht gerechnet hättest?

Mich hat überrascht, dass der Prozess auf Seiten der Investor:innen so unterschiedlich ist. Ich hätte gedacht, dass es immer ähnlich verläuft. Manche Investor:innen hatten keine Zeit sich die Unterlagen gut anzuschauen, manche Investor:innen kennen sich in dem Markt sehr gut aus und wieder andere sind per se interessiert, haben aber keine Kenntnisse und wir müssen erst die Grundlagen vermitteln. Da gibt es sehr unterschiedliche Ausgangslagen. Das hatte ich nicht gedacht.

„Insofern ist mein Tipp: viele Fragen stellen! Es ist besser, viel mehr zu fragen als immer den gleichen Pitch zu geben. Wo kommen die Investor:innen her? Was ist deren Interessenslage? Was sind ihre Erfahrungen? Welche Fragen haben sie, wenn sie die Zeit hatten, sich die Unterlagen vorab durchzuschauen. Fragt, ob sie einen bestimmten Fokus haben wollen! Mein Tipp ist es, einen 10-minütigen Pitch vorzubereiten und danach zu klären, ob sie an bestimmten Punkten weiter interessiert sind.“

Wie schaut ihr zurzeit in die Zukunft?

Also auf der einen Seite läuft es auf operationaler Ebene sehr gut. Das Produkt funktioniert. Wir haben ein tolles Team und ich bin dankbar, dass der Staff so vieles auffängt, was bei uns runterfällt und es gibt ganze Bereiche, die vom Team gelöst wurden, ohne dass ich davon gehört habe. Jedes deutsche Startup hat wahrscheinlich ähnliche Herausforderungen. Es ist teilweise hart zu sehen, dass wir großartige Erfolge im Feld haben und dass wir gleichzeitig Schwierigkeiten haben, das richtig zu kommunizieren. In Saving Grains ist ein tausendfaches Skalierungspotenzial. Wir haben schon so viel gemacht und haben noch mehr in der Pipeline! Da ist es schwer für kleine Investitionsvolumen zu zeigen, wie groß das Potenzial ist, das wir in diesem Grenzmarkt erreichen können. Wie werden die großen gesellschaftlichen Probleme in Afrika gelöst? Keiner glaubt daran, dass es allein durch Entwicklungshilfe lösbar ist. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass es die Start-ups lösen. Wir sind sehr dankbar für die Förderung von KoSI. Für uns ist es eine riesige Möglichkeit und die Zusammenarbeit war super. Ohne FASE wären wir jetzt nicht da, wo wir jetzt sind.

Hier geht es zu mehr über Saving Grains:

Website: https://savinggrains.com/

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