Was ist am österreichischen Impact-Markt so besonders und wie kann man Investoren und Sozialunternehmern in Sachen Expansion auf die Sprünge helfen? Alexandra Nitzlader und Adrian Fuchs von FASE über den Impact-Magnet Wien, Berge als mentale Hürden und den Mehrwert paneuropäischer Transaktionserfahrung.
Titel: Dr. Adrian Fuchs, Dr. Alexandra Nitzlader / Fotos: © FASE
Alexandra, du bist frisch bei FASE an Bord, um im österreichischen Impact-Markt aktiv mitzumischen. Was hat dich dazu bewegt?
Alexandra: Ich beschäftige mich schon mein ganzes Leben lang mit Finanzierung und möchte ganz bewusst Projekte mit Sinn begleiten. Meine Hoffnung ist natürlich, dass sich dadurch eine Breitenwirkung entfaltet und Menschen dazu inspiriert werden, mehr in Impact zu investieren. Vor allem würde ich gerne das Augenmerk auf solche Projekte lenken, die nicht unbedingt massive Medienaufmerksamkeit haben, aber tolle ökologische und soziale Lösungen entwickeln. Das finde ich ganz besonders wichtig.
Mit welchen Fähigkeiten aus deinem Erfahrungsschatz kannst du österreichische Sozialunternehmer besonders effektiv unterstützen?
Alexandra: Ich glaube, ich kann sie vor allem dabei anleiten, sich professionell zu präsentieren und am inhaltlichen Feinschliff zu arbeiten, damit sie spannende Kandidaten für Investoren werden. Der andere Mehrwert ist die Finanzierungsstruktur. Ich komme aus dem Structured Finance und bringe dahingehend viel Erfahrung mit. Ich bin vor allem begeistert darüber, welches sozialen Finanzierungsinstrumente es gibt, die bestimmte Risiken abfedern, für geschmeidige Finanzierungen sorgen und alle Partner zueinander bringen können.
Geschmeidig ist ein sehr schöner Begriff, hast du ein Beispiel dafür?
Alexandra: Es gibt oft unterschiedliche Erwartungen zwischen Investoren und Sozialunternehmern. Dann ist es wichtig, einen goldenen Mittelweg zu finden und Barrieren abzubauen. Der „ESIIF“ ist ein tolles Beispiel dafür: Wenn man Garantiemechanismen wie die EaSI Bürgschaft dafür nutzt, dass Menschen auch auf Portfolioebene in Impact investieren können, ist das in meinen Augen ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Adrian, du warst die letzten 4 Jahre hinweg für FASE im österreichischen Markt präsent. Welche Veränderungen konntest du bei Investoren und Sozialunternehmern feststellen? Sind beide Seiten heute professioneller in puncto Impact und Investment Readiness unterwegs?
Adrian: Was die Sozialunternehmen betrifft würde ich sagen, dass die Quantität definitiv zugenommen hat, die Qualität aber nicht unbedingt. Es gibt noch immer eine weit verbreitete Vorstellung, dass nur weil man sozial ist, man die typischen Anforderungskriterien von Investoren nicht erfüllen müsste. Das ist aber auch in anderen Märkten der Fall. Eine Spezialität von Österreich ist sicher, dass alle sozialunternehmerischen Aktivitäten stark auf Wien fokussiert sind. Wenn man ins Impact Hub Vienna geht, findet man so gut wie die gesamte Sozialunternehmer-Szene in einem einzigen Gebäude vor. Auch wenn ich den Austausch dort immer sehr genossen habe, wäre es doch schön, wenn sich die Szene noch weiter ausbreiten würde. Was die Investoren betrifft, ist die „Impact Readiness“ sicher noch ausbaufähig. Wie in anderen Märkten auch gibt es Impact First Investoren, die die soziale Wirkung ganz oben ansiedeln, und solche Investoren, die sehr professionell investieren, aber die Bewertung und Impact-Messung noch nicht allzu sehr auf dem Schirm haben.
Alexandra, wie siehst du den Punkt mit der Impact-Messung?
Alexandra: Der Investor-Markt ist ja sehr klein und jeder kennt jeden. Aber was dem Ökosystem sicher gut täte, wäre mehr gemeinsames Agieren in Bezug auf bestimmte Definitionen oder Systeme für soziale Wirkungsmessung. Das würde das Verständnis für Impact Investing doch sehr erleichtern und die Türen für neue Investoren öffnen. Ich glaube, dass man hauptsächlich über ein persönliches Anliegen in diesen Markt kommt: weil man nicht mehr zuschauen, sondern etwas verändern will. Insofern fände ich es wichtig, alte Denkmuster aufzubrechen und frischen Wind reinzubringen. Zum Beispiel gibt es das hartnäckige Vorurteil, dass man zwangsläufig Rendite opfern muss, um in Impact investieren zu können. Doch das ist vielfach widerlegt worden inzwischen. Deshalb hoffe ich sehr, dass die jüngere Investoren-Generation mit einer frischen Einstellung, viel Gestaltungsfreude und einer größeren Selbstverständlichkeit an das Thema Impact Investing herangehen wird. Es gibt auch noch ganz viel Potenzial bei den Corporates zu heben. Statt in Silos zu bleiben, sollten sich alle Akteure viel besser vermischen – dass schafft Bewegung.
„Ich glaube, dass man hauptsächlich über ein persönliches Anliegen in diesen Markt kommt: weil man nicht mehr zuschauen, sondern etwas verändern will. Insofern fände ich es wichtig, alte Denkmuster aufzubrechen und frischen Wind reinzubringen. Ich hoffe sehr, dass die jüngere Investoren-Generation mit einer frischen Einstellung, viel Gestaltungsfreude und einer größeren Selbstverständlichkeit an das Thema Impact Investing herangehen wird.“ – Alexandra Nitzlader
Noch einmal zurück zum Thema „Investment Readiness“: Gibt es hier österreichische Spezifika?
Adrian: Ein wichtiger Unterschied ist sicher das Thema Gemeinnützigkeit. In Österreich unterscheidet das Finanzamt fallbezogen, es gibt hier also keine trennscharfe Abgrenzung zwischen gemeinnützig und gewinnorientiert so wie beispielsweise in Deutschland. Ich habe das eigentlich immer als Nachteil gesehen, aber es kann auch ein großer Vorteil sein: Österreichische Sozialunternehmen machen sich dadurch viel weniger von Spenden abhängig, sondern schauen von Anfang an stärker auf staatliche Förderungen oder professionelle Unterstützer wie zum Beispiel die AWS.
Mit anderen Worten: Man muss sein Finanzierungsspektrum sofort weiter denken. Wie seht ihr denn die aktuelle Finanzierungslage bei österreichischen Sozialunternehmen angesichts von COVID?
Alexandra: Ich denke, dass sich viele Sozialunternehmen zu Beginn von 2020 gut mit Funding eingedeckt haben und das Liquiditätsproblem erst noch aufpoppen wird. Es kann durchaus passieren, dass Geschäftsmodelle dann wegbrechen oder pivotieren müssen. Umgekehrt gesehen entwerfen Sozialunternehmen zukunftsweisende Modelle und lösen viele der Probleme, die durch die Pandemie sehr transparent geworden sind. Insofern ist meine persönliche Hoffnung, dass sie die Gewinner dieser Krise sind und zu inspirierenden Rollenvorbildern werden, die auch mehr Breitenwirkung für das Impact-Thema generieren.
Infobox Investment Readiness: Welche Elemente nehmen Investoren beim Sozialunternehmen unter die Lupe?
FASE hat durch den paneuropäischen Fokus wertvolle Einblicke in viele verschiedene Geschäftsmodelle, Skalierungsstrategien, Investoren-Netzwerke und Märkte gesammelt. Welchen Mehrwert könnt ihr damit für Österreich bieten?
Alexandra: Ich glaube, dass die österreichische Sozialunternehmer-Szene angesichts ihrer überschaubaren Größe sehr von unserem europäischen Investoren-Netzwerk profitieren kann. Und auch die europaweite Transaktionserfahrung von FASE ist ein echter Mehrwert.
Adrian: [schmunzelt] Die zahlreichen Berge an den österreichischen Grenzen sollten jedenfalls kein Grund für ähnlich geartete mentale Hürden sein. Ich möchte mal die mutige Hypothese aufstellen, dass österreichische Investoren eher weniger in deutsche Sozialunternehmen investieren würden als umgekehrt deutsche Investoren in österreichische Impact Ventures. Vielleicht reicht der Radius gerade noch maximal bis nach München. Insofern hoffe ich sehr, dass wir durch unsere internationalen Mandate Mehrwert und Inspiration für mehr geografischen Investitions-Weitblick einbringen können.
„Ich möchte mal die mutige Hypothese aufstellen, dass österreichische Investoren eher weniger in deutsche Sozialunternehmen investieren würden als umgekehrt. Insofern hoffe ich sehr, dass wir durch unsere internationalen Mandate Mehrwert und Inspiration für mehr geografischen Investitions-Weitblick einbringen können.“ – Adrian Fuchs
Es scheint aber tendenziell eine gewisse Affinität und Nähe zur CEE Region zu geben, ist das richtig?
Adrian: Die Impact Days, die immer in Wien stattfinden, zeigen diese Nähe ja sehr gut auf. Impact Ventures aus der CEE Region schauen generell schon gerne in Richtung österreichische Investoren, so mein Eindruck bisher. Der Aspekt der alten Monarchie schwingt da vielleicht noch mit.
Und inwiefern kann FASE österreichischen Impact Ventures bei der Skalierung in andere Märkte helfen?
Adrian: Ein gutes Beispiel dafür ist talentify. Beim Schritt in den deutschen Markt im vergangenen Jahr konnten wir unsere Expertise sehr gut einbringen, zum Beispiel bei der Gründung der deutschen gGmbH oder mit unserem Netzwerk vor Ort. Das ist der große Mehrwert unserer lokalen Transaktionsexperten, die wir in europäischen Regionen wie Benelux, CEE und DACH haben. Ein typischer blinder Fleck bei der Expansion in andere Märkte ist, dass man nicht unbedingt erwartet, dass dort ein professionellerer Wind bei den Investoren weht, dass man kulturelle Unterschiede beachten muss und dass der Staat als Kunde womöglich eine deutlich geringere Rolle spielt. Da ist die lokale Expertise von FASE extrem hilfreich bei der Vorbereitung auf den großen Sprung.
Apropos großer Sprung: Welche Tipps möchtest du, Adrian, deiner neuen Kollegin Alexandra gerne mit auf den Weg geben?
Adrian: Da Alexandra viel Transaktionserfahrung hat, brauche ich ihr sicher nicht zu sagen, dass die Finanzierungsrunde erst steht, wenn die Tinte unter dem Vertrag trocken ist. Wenn ich mich an meine ersten Monate als Transaktionsmanager erinnere, dann muss man schon mit einer guten Prise Realismus an die Verhandlungen herangehen, viel Geduld an den Tag legen und den Prozess zwischen Investoren und Sozialunternehmern sehr gut moderieren.
Alexandra: Die Frage ist ja, warum dieser Prozess im Impact Bereich im Durchschnitt länger dauert als bei traditionellen Transaktionen. Ich persönlich glaube, es liegt daran, dass der Impact Markt einfach noch nicht ausgereift genug ist. Würden die Impact Investoren Schlange stehen, ginge es deutlich schneller.
Adrian: Das stimmt. Ein weiterer Tipp ist, dass man sich bei der großen Bandbreite an Investoren sehr auf sein Gegenüber einlassen und genau darauf achten muss, wo der jeweilige Investor in Bezug auf Impact- und Investment-Erfahrungstiefe steht. Manche Investoren muss man deutlich mehr vom Impact eines Sozialunternehmens überzeugen, andere davon, dass die Rendite auch attraktiv genug ist. Sich dieser feinen Balance bewusst zu sein ist wichtig, gerade dann, wenn man vor einer ganzen Gruppe von Investoren präsentiert. Was die Social Entrepreneurs betrifft, gibt es sicher einige, die man mit besonderen Samthandschuhen anfassen muss.
Empathie ist also sehr wichtig. Wie würdet ihr persönlich diesen Mehrwert von FASE auf den Punkt bringen?
Adrian: Dem Sozialunternehmer ein professioneller Sparringpartner sein und wenn nötig, ihn oder sie auch einmal auf den Boden der Tatsachen bringen.
Alexandra: Freiraum für den Sozialunternehmer schaffen, sich der Kernidee zu widmen, und als kompetenter Partner zur Seite stehen, der eine deutlich breitere Investorenbasis mitbringt als man sie als Sozialunternehmer alleine finden könnte.
Adrian, du gehst jetzt in eine kurze Elternzeit, kannst du dich an ein besonders schönes Kompliment erinnern, das du für deine Arbeit bekommen hast?
Ein Impact Venture aus unserem Interreg Projekt sagte mir neulich, dass sie ohne mein Coaching den Wettbewerbspreis sicher nicht gewonnen hätten. Das hat mich doch sehr gefreut.
Hier gibt es noch mehr Hintergrund zu den Interview-Themen Investment Readiness, ESIIF und zu Talentify als Beispiel eines erfolgreichen österreichischen FASE-Mandats:
Profil und Video von talentify zur 2. erfogreichen Finanzierungsrunde mit FASE: Finalisierte Projekte: talentify
Für Investoren: offizielle Website ESIIF / Für Sozialunternehmer: Voraussetzungen für ein Matching durch den ESIIF
Über unser Projekt mit Interreg: Pressemitteilung Finance4Social Change