„Die Finanzierungsrunden waren ein echtes Highlight“

Die richtigen Lösungen für Skalierung und Finanzierung zu finden, ist für Sozialunternehmer nicht immer einfach. Lassen sich Fallstricke und Vorurteile im Voraus vermeiden? Robert Greve, Gründer von SWiM Bildung und Studio2B, über unternehmerische Umwege, den Abbau von Berührungsängsten und wertvolle Ratschläge an sein jüngeres Ich.

Robert, ihr habt als Sozialunternehmen mit der Mission „Modernisierung der Schule“ einen spannenden Weg  zurückgelegt. Wie hat sich eure ursprüngliche Theory of Change verändert?

Am Anfang, als wir noch SchulePLUS hießen, haben wir uns als Vermittler verstanden, der  ein soziales Netzwerk für Schulen, Lehrkräfte und externe Partner aufbaut. Doch trotz vielversprechendem Start hat die Skalierung nicht geklappt. Wir haben dann schnell begriffen, dass wir etwas Wesentliches ändern müssen: Uns auf einen bestimmten Bereich konzentrieren anstatt das gesamte Spektrum von der Theaterpädagogik, über Sport- und Kunstangebote bis hin zu Technik und Mathematik abdecken zu wollen. Als die Kultusministerkonferenz das Thema „Berufsorientierung“ in allen Oberschulen eingeführt hat und die Nachfrage auf unserer Plattform stark anstieg, ergab sich dieser Fokus-Bereich ganz natürlich. Zuerst haben wir mit verschiedenen Formaten experimentiert. Dann kam der Durchbruch mit „Dein Erster Tag“: VR-Technologie macht aufwändige Betriebsbesichtigungen auf einen Schlag viel skalierbarer. Unsere Idee, auf digitale Instrumente für eine moderne, innovative und kreative Berufsorientierung zu setzen, war insofern goldrichtig.

Welche Motivation hat für dich die größere Rolle gespielt, Skalierung oder Systemveränderung?

Beides. In Sachen Impact haben wir mit „Dein Erster Tag“ erstmals etwas kreiert, das Schulen eine echte Hilfestellung in einem noch sehr unterentwickelten Thema gibt. Schüler können Berufsorientierung jetzt auf eine moderne, coole Art erleben, die Freude macht. Das hat uns inspiriert, in Zukunft ein ganzes Curriculum 2.0 für die Berufsorientierung aufzubauen. Doch von so viel Systemveränderung sind wir im Moment noch ein Stück entfernt. Auch unsere Impact-Evaluierung ist noch nicht ausgereift. Wir haben sehr viele Datenpunkte, aber hauptsächlich für Outputs und noch nicht für Outcomes.

Ihr seid mittlerweile in beiden Rollen zuhause, sowohl als Entwickler pädagogischer Konzepte als auch als Vermittler zwischen Schulen und der Unternehmenswelt.

Das stimmt. Wir haben beide Ansätze gut miteinander kombiniert und sind unserem Meilenstein für 2019, 20 Prozent aller deutschen Oberschulen zu erreichen, sehr nah. Ich persönlich finde das ziemlich unglaublich, dass schon bald jede fünfte Oberschule unsere Berufsorientierungsangebote nutzen könnte. Das ist qualitativ wie auch quantitativ ein echter Meilenstein für uns.

„Ich persönlich finde das ziemlich unglaublich, dass schon bald jede fünfte Oberschule unsere Berufsorientierungsangebote nutzen könnte. Das ist qualitativ wie auch quantitativ ein echter Meilenstein für uns.“

Schulen haben mit der Modernisierung viel Neues zu schultern bei immer knapper werdenden Lehrer-Ressourcen. Wie erlebt ihr die Offenheit der Lehrer für Veränderung und was sind eure Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung?

Ich glaube, Lehrer sind für Veränderung grundsätzlich sehr offen. Unser entscheidender Erfolgsfaktor ist, dass unsere Angebote direkt umsetzbar sind. Bei „Dein Erster Tag“ gibt es eine Box mit VR-Brillen, mit denen die Schüler direkt loslegen können. Dafür sind weder WLAN noch Unterrichts-Instruktionen nötig, sondern nur „Plug and Play“.  Es gibt sicher tolle Top-Down Konzepte, die an manchen Schulen auch sehr gut fruchten. Aber in der Masse muss man die Lehrer mit solchen kleinen, einfachen aber wirksamen Ansätzen überzeugen. Ich vergleiche das gerne mit fertigen Kochboxen, die es neuerdings überall gibt: Durch die simplen Rezepte beschäftige ich mich viel lieber mich Kochen und Zutaten und werde irgendwann die Boxen nicht mehr brauchen. Auf dieselbe Weise wollen wir den Alltag für Lehrer einfacher machen. Sie könnten es sicher auch alleine schaffen, haben aber schlicht keine Zeit dafür. Und wenn die Berührungsängste für digitale Technologien wie VR-Brillen erst einmal überwunden sind,  kann man die sie auch in anderen Fächern erfolgreich einsetzen.

Du bist im Vergleich zu vielen anderen Sozialunternehmern schon sehr lange auf der Impact-Reise unterwegs. Bist du damit zufrieden, was ihr bislang erreichen konntet?

Absolut. Wir haben zwar mehr Umwege gehen müssen als ich gehofft hätte, sind aber jetzt an einem Punkt, an dem wir endlich eine große Zahl an Schulen erreichen und eine systemische Wirkung entfalten können. Mit einen B2B-Konzept im Bildungsbereich ist es unglaublich schwer, Impact und Wirtschaftlichkeit unter einen Hut zu bekommen. Mit „Dein erster Tag“ haben wir es geschafft, ein Modell zu finden, in dem sich beides gegenseitig befruchtet. Wenn es uns jetzt noch gelingt, uns auch qualitativ mit vielen verschiedenen Formaten zu verbreitern, dann sind wir auf einem richtig guten Weg.

Welche Meilensteine waren für euch besonders wichtig?

Die Finanzierungsrunden waren ein echtes Highlight für mich. Vor allem, dass wir letztes Jahr zwei neue und sehr erfahrene Privatinvestoren gewinnen konnten, die sich in unserem Bereich auskennen und an unser Geschäftsmodell glauben, hat mich sehr bestärkt.  In 2018 haben wir dann zwei Sozialunternehmen fusioniert, um gemeinsame Ressourcen nutzen zu können. Als nächsten Meilenstein möchten wir den finanziellen Break-even schaffen, idealer Weise noch in diesem Jahr.

„Die Finanzierungsrunden waren ein echtes Highlight für mich. Vor allem, dass wir letztes Jahr zwei neue und sehr erfahrene Privatinvestoren gewinnen konnten, die sich in unserem Bereich auskennen und an unser Geschäftsmodell glauben, hat mich sehr bestärkt.“

Ihr habt bereits mehrere Finanzierungsrunden mit Unterstützung von FASE bestritten. Was sind deine persönlichen Tipps zur Finanzierung?

Als Allererstes sollte man sich bewusst machen, welche Finanzierungssummen man für die Produktseite tatsächlich braucht, vor allem wenn IT und Digitalisierung eine größere Rolle spielen. Ein zweiter Punkt ist der Vertrieb. Wir haben jahrelang unterschätzt wie teuer es wird, einen professionellen Vertrieb von A bis Z aufzubauen. Drittens sollte man sich Gedanken über die Qualifikation der Mitarbeiter und die damit verbundenen Gehaltsstrukturen machen. Wenn man als Sozialunternehmer dann ehrlich zu sich ist, wird man häufig zu dem Ergebnis kommen, dass größere Summen externen Kapitals erforderlich werden. Gerade am Anfang des Lebenszyklus finde ich die Genussrechtskapital-Modelle, die FASE häufig empfiehlt, super. Wenn das eigene Unternehmen dann weiter wächst, macht es Sinn, sich mit dem Thema Eigenkapital auseinanderzusetzen.

Eigenkapital ist in den Augen vieler Sozialunternehmer ein zweischneidiges Schwert. Wie stehst du dazu?

Ich gebe zu, dass ich zunächst auch sehr skeptisch war, mir Anteilseigner ins Haus zu holen. Die übliche Horrorvorstellung ist, dass man dann für viele Jahre an jemanden gebunden ist, mit dem es überhaupt nicht klappt. Ich habe diesen Schritt allerdings nie bereut. In der Zwischenzeit haben wir mithilfe von FASE elf Impact Investoren an Bord und sind sehr glücklich damit. Mit den meisten ist es sehr einfach, da sie eher passive Investoren sind, was sie von Anfang auch so klargestellt haben. Mit den anderen, sehr aktiven macht es mir und dem Team großen Spaß, da sie ihre ganze Erfahrung und Expertise beisteuern. Was ich auch gelernt habe ist, dass Eigenkapital nicht unbedingt weniger Freiheit bedeutet. Manchmal ist es sogar umgekehrt: Der Druck, Genussrechtskapital zu einem fixen Zeitpunkt zurückzahlen und damit die Liquidität belasten zu müssen, kann sehr einschränkend sein.

Wie findet man als Sozialunternehmer im Vorfeld heraus, welches die richtigen Impact Investoren sind?

Ein Faktor ist ganz klar Sympathie und Empathie. Um es einmal salopp zu sagen: Hättest du Lust, mit diesem Menschen ein Bier trinken zu gehen? Wie würde diese Person reagieren, wenn es mal nicht so gut läuft? Meine Erfahrung ist, dass gerade diejenigen, vor denen man als Sozialunternehmer vielleicht zuerst zurückschreckt, weil sie im Investment-Bereich sehr erfahren sind, genau diejenigen sind, die in schwierigen Phasen sachlich, professionell und gelassen reagieren, weil sie das alles schon tausendmal erlebt haben. Mein Rat an mein jüngeres Ich wäre deshalb: bei Investoren unbedingt auf Erfahrung setzen. Auch würde ich eher auf wenige und größere Kapitalgeber abzielen, da eine gute Kommunikation viel Zeit beansprucht. Und ein letzter Tipp: Ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen solchen Investoren herstellen, die vorwiegend vom Impact her denken, und solchen, deren Denkschema von betriebs- und finanzwirtschaftlichen Faktoren geprägt ist. Dann ist die Gefahr nicht so groß, dass die Waage in die eine oder andere Richtung kippt.

Vorausgesetzt natürlich, man kann es sich als Sozialunternehmer aussuchen.

Richtig. Die Wahrheit ist, dass man als Sozialunternehmer in Deutschland nicht gerade eine riesige Auswahl an Impact Investoren hat. Das haben wir in unseren ersten Finanzierungsrunden erfahren und das hat sich bis dato auch nicht wesentlich verändert. In den meisten Runden kommen in der Regel zwei bis vier Investoren zusammen, mit denen man gerne arbeiten möchte.

Wie wichtig ist dabei die Unterstützung eines „Trusted Advisor“ wie FASE und wie hast du diese Zusammenarbeit erlebt?

Die Zusammenarbeit war einfach super. Von FASE habe ich erst gelernt, wie Business- und Finanzpläne eigentlich aussehen müssen. Die Pitch-Termine, die wir zusammen hatten, haben mir immer sehr viel Spaß gemacht. Zwischen uns herrscht ein hundertprozentiges Vertrauen und ich persönlich kann Sozialunternehmern diesen Weg nur von ganzem Herzen empfehlen. Ohne FASE wären wir an unsere Investoren und das Impact-Kapital gar nicht erst herangekommen.

„Die Zusammenarbeit war einfach super – ohne FASE wären wir an unsere Investoren und das Impact-Kapital gar nicht erst herangekommen.“

Hier gibt es noch mehr Bildung zum Thema Berufsorientierung, SWiM Bildung & Studio2B:

Case Study zur ersten Finanzierungsrunde von SchulePLUS: Fallstudie 2015

Website Studio2B: Studio2B GmbH

Website „Dein Erster Tag“: Dein Erster Tag

Sozialunternehmer und neuierig, wie man sich fit für Impact Investoren macht?

Unter Webinare – Events findet ihr unsere Social Finance Tutorials von Proof of Concept bis Investment Readiness – in Zusammenarbeit mit dem Empowering People Network der Siemens Stiftung.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am Blog. Setze ein Lesezeichen auf den permalink.